Architektur- und Ingenieurbüro Georg Wommer

Georg Wommer (1878-1915) widmete sich in seiner nur 10-jährigen Schaffenzeit zunächst dem Bau von Fabrikbauten, maschinellen Anlagen sowie Betriebsanlagen. Später erweiterte er sein Portfolio auch mit Wohnhäusern im Jugend- und Reformstil. Typische Elemente der meisten seiner Bauten sind groß angelegte Tore, kleinere Seiten-Flügel und figürliche Reliefs mit Kindern und Tieren – wie man z.B. am Gebäudekomplex in der Jahnallee / Luppenstraße in Leipzig auffinden kann. In einigen Fällen befinden sich an den von Georg Wommer projektierten Gebäuden Aufputz-Plaketten mit seinem Namen. Sein Büro war in der Windmühlenstraße 48 in Leipzig ansässig. Für wenige Jahre führte Georg Wommer zusätzlich die Fa. Gebrüder Wommer.

Relief Jahnallee
Relief Jahnallee 67

2018 kamen wir durch glückliche Umstände an Briefe von Georg Wommer, die wir im ehemaligen Stammhaus der Wommers in Wolfersweiler fanden. Darin wurden noch weitere Gebäudekomplexe in und außerhalb Leipzigs erwähnt. Diese Briefe erlauben es uns sein kurzes intensives Leben und Schaffen nachzuzeichnen.

in eigener Sache

Nach seinem Militärdienst in Dresden befasste sich Georg Wommer intensiv mit dem Bauwesen. Höchstwahrscheinlich wurde Georg Wommer als Jugendlicher von Paul Möbius – ein berühmter Vertreter des Leipziger Jugendstils – für seine Fachrichtung inspiriert: Möbius wurde von seiner Familie und dem Fleischermeister Nietzschmann zum Bau eines Ausstellungspavillons zur Sächsisch-Thüringischen Industrie- und Gewerbeausstellung Leipzig 1897 engagiert. Im Klimschs Jahrbuch machte er erstmals mit dem Artikel “Über Bau und Einrichtungen moderner Druckereien” auf sich aufmerksam, was zu ersten Aufträgen führte.

Sein erstes Projekt in Leipzig war die Schlosskeller-Rennovation, wo er über 100 Leute koordinierte. Besonders Stolz war er über den großen Festsaal – der nun einer der schönsten in Leipzig sei – wie er in einem Brief im April 1905 an die Verwandtschaft in Wolfersweiler – die ihm damals mit einem ersten Kredit von 500 Mark unterstütze – euphorisch berichtet. Der Schlosskeller, der damals der Fleischer-Innung gehörte, wurde später zum heutigen Regina-Kino umgebaut. Die Deckenmalerei im Jugendstil dürfte noch auf seine Arbeit damals zurückzuführen sein. Zu dieser Zeit investierte Georg viel in Reklame in Fachzeitschriften, um neue Projekte zu gewinnen.

Lange wussten wir fast nichts von Georg Wommer. Zum ersten Mal erfuhren wir zu tiefsten DDR-Zeiten von seiner Existenz, als wir nach einem Besuch der Leipziger Kleinmesse an der Straßenbahnhaltestelle Angerbrücke seinen Namen an einer Hausmauer entdeckten. Die Namens-Plaketten erleichterten uns anfangs das Aufspüren “seiner” Gebäude in Leipzig. Leider existiert, wie wir bei unserer weiteren Recherche feststellen mussten, kein Architektenverzeichnis, so dass jedes neu gefundene Bauwerk auf eine tiefgründige Recherchearbeit oder auch auf glückliche Zufälle zurückzuführen war. Wir glauben ca. 80% seiner Bauwerke bereits aufgespürt zu haben. Wir sind für jeden Tipp dankbar, der uns hilft das Bild weiter zu vervollständigen!

in eigener Sache

Fabrikbauten

Verwaltungsgebäudes der Maschinenfabrik Dr. Gaspary & Co. in Markranstädt
Verwaltungs-Gebäude der Maschinenfabrik Dr. Gaspary & Co. in Markranstädt

Wohnhäuser

Jahnallee 65-71
Jahnallee 65-71
  • zwei große vornehme Wohnhäuser für die Fleischerinnung am Stephaniplatz – Augustenstr 22, Leipzig
  • Gebäudekomplex Luppenstr. 5-9 und Jahnallee 65-71, Leipzig um 1910 im Auftrag der Fa. Großbuchbinderei H. Fikentscher mit Bezug 01.10.1910
  • Shakespearestr. 47, Leipzig Südvorstadt – (damals Sophienstr. für Krause) um 1911
  • Trufanowstr. 12, Leipzig (Bauherr Konstantin Körner) – auf Denkmalliste des Landesamtes für Denkmalpflege – 09291342; 1911 erbaut – 3-geschössig mit Eckerker und Mansardwalmdach; wurde vermutlich als “feines Wohnhaus” in Gohlis im Briefwechsel referenziert
  • Trufanowstraße 27-29; Schlossermeister Konstantin Körner und Baumeister Karl Noack 1908/1909 nach Plänen des Architekten Georg Wommer ein Doppelmietshaus in offener Bebauung, mit Vorgarten und Einfriedung – auf Denkmalliste des Landesamtes für Denkmalpflege – 09291350

Weitere Projekte und Baukomplexe

  • Renovierung Schlosskeller für die Fleischer-Innung, 1905, Leipzig
  • Geschäftshaus im Leipziger Zentrum – unbekannter Standort
  • Gebäudekomplex für das Rittergut Adelwitz, Kreis Torgau (Gestüt, Torgebäude, Einfahrt, Schmiede, Stellmacherei, Maschinenschuppen, Kesselhaus)
  • Umbau an einem Cafe im Ranstädter Steinweg, 1905 – unbekannter Standort
  • Ein Verwaltungsgebäude 7 Geschosse hoch für eine Maschinenfabrik
  • 3 ‘bessere’ Umbauten für Leipziger Fleischermeister
  • Umbau an Otto Diestelmanns Gebäude Lößniger Str. 54
  • Entwurf Rathaus Leipzig, Wahren
Auftrag der Fa. Fikentscher
Auftrag der Fa. Fikentscher

Infolge seiner steigenden Verschuldung (auch innerhalb der Familie), was zum Zerwürfnis mit den Verwandten in Wolfersweiler führte, suchte Georg neue Betätigungsfelder und wurde Bergwerksbesitzer in Ungarn (bei der Hibernia Shamrock?). Sein Engagement war profitabel. Jedoch war der Schuldenberg von über M 300.000 so erdrückend, dass er versuchte einen Teil des Geldes wegen drohender Insolvenz in anderen Firmen – wie Horn & Co. in Chemnitz zu sichern – wo er über M 55.500 investierte. Im Juni 1914 übergab er auf Grund einer Influenza und Abwesenheit seinem Bürochef Bräutigam Vollmacht über das Architekturbüro. Ende September – er war bereits schwer krank – wurde ihm das Konkursverfahren, wegen der Geldabflüsse trotz Schuldenverfahren angedroht. Sein Bruder Otto sollte sich später um die Angelegenheit kümmern, da Georg selbst nicht mehr in der Lage dazu sein sollte…

Georg Wommer wurde schon mit 37 Jahren aus dem Leben gerissen. Die genauen Ursachen seines frühen Todes sind unklar. Jedoch erscheinen aus Briefen eine verschleppte Influenza Mitte des Jahres 1914 und insbesondere ein plötzlicher Schub im Oktober 1914 einer latent vorhandenen Nervenkrankheit als sehr wahrscheinlich. Selbst eine Behandlung bei Prof. Paul Flechsig brachte nur eine zwischenzeitliche Verbesserung, sodass er Anfang 1915 aus der Klinik entlassen wurde und am 09.01.1915 bei seiner Schwester Fanny Seifferer verstarb.

Adressbucheintrag
Adressbucheintrag

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